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(Location: Dorf in Marokko - Hoher Atlas, Ostseite)
DER ABTRÜNNIGE
nach Motiven der gleichnamigen Erzählung von Albert Camus für
2 Orchester, 2 Chöre,
Vokal- und Streichquintett und Spielfilm (1989-91)
Fern ab aller Zivilisation liegt mitten in der Sahara Algeriens
eine Stadt. Ihre Bewohner leben vom Salz. Noch immer bauen Sklaven
es in den Bergwerken ab, die Salzstädter selbst handeln mit ihm.
Wie in einem riesigen Hohlspiegel liegt die Stadt im Mittelpunkt
eines weiten Tals. Die Sonne scheint unbarmherzig und so wie ihr
Licht alles Leben im Tal verbrennt, zerstören die Bewohner der
Stadt alles, was fremd ist und ihnen zu nahe kommt. Menschenleben
und Würde gelten nichts. Der europäische Gott der Nächstenliebe
ist ihnen bekannt, aber verhaßt. Fetisch und Zauberer der Stadt
sind realer als alle anderen Götter. Ihre Macht beruht auf extremer
Gewalt ohne Trübung durch christliche Barmherzigkeitspflicht.
Deutschland. Ein junger Mann bereitet sich auf eine Reise vor.
Er hatte seit langem immer wieder Geschichten aus jener Stadt
gehört. Über viele Monate ließ er sich als Entwicklungshelfer
und Missionar ausbilden, um zu den Salzstädtern reisen zu dürfen.
Was ihn reizt ist, daß bereits viele vor ihm diesen Ort zum Ziel
hatten und kaum einer zurückkehrte. Im Geheimen glaubt Jakob -
wie sein biblischer Namensvetter - an seine Aussergewöhnlichkeit,
die alle Schwierigkeiten bewältigen wird. Anders als die meisten
seiner Vorgänger setzt er nicht auf Gewalt, sondern auf das lebendige
christliche Vorbild - für das er sich hält. Diesem Vorbild werden
sich die Menschen, denen er dort begegenen wird schon anschließen,
glaubt er. Sein Idealismus ist naiv und unreflektiert, die Familie
in der er groß geworden ist, ist Hort dieser Hybris und unterstützt
sein Vorhaben. Eines Tages reist er aus Deutschland ab. In der
Missionsschule zu Algier erhält er den letzten Schliff und bricht
einige Wochen später zur Salzstadt auf. Unterwegs muß er erfahren,
daß die Gewalt schon viel früher beginnt als er ahnt. Der Busfahrer,
der ihn in die Nähe der Stadt bringen soll raubt ihn aus und läßt
ihn bewußtlos am Pistenrand liegen. Nachdem Jakob mühsam wieder
auf die Beine gekommen ist, wandert er der Stadt zu Fuß entgegen.
In der Hitze des Tages bemerkt er schwarzgekleidete Gestalten,
die ihn - konstant Abstand haltend - begleiten. Er hält sie für
Wegelagerer, die, um ihn auszurauben, auf die Dunkelheit warten
und ahnt dabei nicht, daß es längst Salzstädter sind. Jakob versucht
ihnen zu entkommen, was ihm jedoch nie wirklich gelingt. Irgendwann
bricht er erschöpft zusammen.
Rückblenden zeigen Momente aus dem fernen Deutschland und aus
einer plötzlich lang zurückliegenden Zeit.
Der Abschied von den Eltern. Sie sitzen gemeinsam in der Küche.
Der Vater liest einen Text. "Ihr seid das Salz der Erde..." -
Elternhaus. Der zweijährige Jakob stürzt eine Steintreppe hinab
und wird von seinem Vater aufgefangen der zufällig im gleichen
Moment heraufkommt.-
Der Neunjährige steht auf dem Hof der Grundschule und starrt in
die Luft, als sähe er eine Person über sich. Plötzlich steht ein
Mann neben ihm. Jakob dreht sich um und rennt weg. Der Mann folgt
ihm, holt ihn ein und reißt ihn am Arm herum.-
Er und seine Freunde spielen auf einem weiten abgeernteten Feld.
Sie wollen einen Drachen steigen lassen. Fünf Kinder halten das
große Trapez fest, Jakob rennt mit der Schnur los um es fliegen
zu lassen. Er bemerkt jemanden hinter sich und dreht sich darum
im Laufen um. Er stolpert und fällt. Alle stehen lachend um den
am Boden liegenden. Ausser Jakob war weit und breit niemand zu
sehen. Der Vater kommt und schimpft.-
Die Familie rastet unter Bäumen. Es ist Sommer und die Kinder
spielen. Vögel zwitschern, Blätter rauschen und am blauen Himmel
ziehen die Wolken. Aus der Ferne fliegen Worte herüber.-
Der zwanzigjährige Student steht am Fenster und blickt hinab auf
die nächtliche Straße. In einer Stunde wird die Sonne aufgehen.
Plötzlich erschrickt er, da er sich selbst auf der Strasse erkennt.
Sein Zwilling dort unten starrt beharrlich zu ihm herauf. Jakob
beobachtet wie er plötzlich von einem Fremden auf der Straße angegriffen
wird. Die beiden kämpfen miteinander. Wider Erwarten scheint Jakob
der Stärkere zu sein, doch plötzlich holt der Fremde weit aus
und schlägt seinem Gegner auf die Hüfte. Jakob sackt zusammen.
Der Fremde verschwindet.-
In einem Hörsaal doziert ein Professor über Calvin. Unter den
Zuhörern ist Jakob.-
Wüste. Jakob kommt zu sich da seine Verfolger anfangen ihn auszuziehen
um seine Sachen unter sich aufzuteilen. Vergeblich wehrt er sich.
Er wird so stark geschlagen, daß er das Bewußtsein verliert. Sie
binden ihn auf ein Maultier. Nach Stunden erreicht die Gruppe
die Stadt. Auf dem großen Platz in der Mitte der Stadt strömt
eine schweigende Menge zusammen. Wächter binden ihn los. Er fällt
vom Maultier und wird davon wach. Sein Durst ist groß und er bittet
um Wasser. Niemand macht Anstalten ihm zu helfen. Nach einigen
Minuten zerstreut sich die Menge. Männer kommen und schleppen
ihn ins Gefängnis der Stadt, in dem er von jetzt ab leben wird.
Noch immer glaubt er an seine Mission.
Später wird er Diener im Hause des Fetischs´. Eines Tages wird
er Zeuge einer Vergewaltigung. Der Fetisch nimmt seine junge Frau
gegen ihren Willen. Jakob, der im Vorraum zum Zimmer des Fetischs´
die Szene durch einen Spalt in der Tür gierig beobachtet wird
entdeckt. Wächter schleppen ihn zurück ins Gefängnis. Sie schneiden
ihm die Zunge aus dem Mund. Mit einem Knebel im Mund erwacht er
Stunden später auf seiner Pritsche. Endlich begreift er, daß es
nur einen rechtmäßig herrschenden Gott geben kann. Es ist der
Fetisch und alles was sie ihm in Europa über den anderen Gott
erzählt hatten war Lüge. Die Macht des Fetischs´ ist grenzenlos.
Ohne Zunge stammelnd schwört er Rache. Er weiß, daß in wenigen
Wochen ein Nachfolger eintreffen soll, da er selbst seit langem
als verschollen gilt. In seiner Gefängniszelle versteckt er Teile
eines alten Vorderladers. Am Vorabend der Ankunft des Nachfolgers
bricht Jakob aus seiner Zelle aus und flieht. Das Gewehr nimmt
er mit.
Wüste. Früher Morgen. Die Sonne schickt ihren ersten Strahl über
die weite Ebene. Ganz in der Nähe Geräusche eines Menschentiers.
Jakob hockt - wirres Kauderwelsch vor sich her stammelnd - unter
einem Stein und wartet auf den Mann, der ihn in der Salzstadt
ersetzen soll. Die Städter bemerken seine Flucht und suchen ihn.
Obwohl sie in der Nähe sind finden sie Jakob nicht. Später gegend
Abend entdeckt er endlich in der flimmernden Ferne die Silouhette
eines Mannes, der, wie er einst, mit einem Koffer in der Hand
näher kommt. Jakob zielt auf ihn, wartet bis er in Reichweite
ist und schießt. Die immer noch in der Nähe suchenden Salzstädter
wenden die Köpfe. Der Knall war ohrenbetäubend. Jakob ist entdeckt.
Er hebt den Kopf um zu sehen ob er getroffen hat. Ohne daß er
es merkt stehen hinter ihm plötzlich fünf schwarzgewandte Männer.
Jakob kriecht aus seinem Versteck hervor und geht auf den am Boden
liegenden Nachfolger zu. Einer der fünf Schwarzgewandeten tritt
aus der Gruppe und wirft ihm einen Speer nach. Im Off hört man
einen Laut und sofort darauf ein markerschütterndes Schreien.
Jakob ist getroffen. Der Mann, der den Speer geworfen hatte, geht
ihm ins Off nach. Nach einem Moment erstirbt das Schreien jäh.
Die Kamera fährt nun beständig zurück und gibt nach und nach das
Bild frei. Zuerst kehrt der Speerwerfer zurück. Ohne sich weiter
um die Verletzten zu kümmern drehen sich die fünf Männer um und
verschwinden in der Tiefe des Wüste. Kurz darauf kommt Jakob ins
Bild. Er lebt noch, liegt auf dem Bauch und kriecht Richtung Kamera.
Sein Rücken blutet. Der Mund ist weit aufgerissen, aber nichts
dringt aus ihm heraus. Salzbrocken verhindern sein Geschrei. Endlich
ist auch der Nachfolger zusehen. Jakob hat ihm mit seinem Schuß
den Hals zerstört. Der Mann ist bekannt. In den wenigen Wochen
in der Missionsschule in Algier hatten Jakob und er sich angefreundet.
Verrenkt liegt er nun zwischen den Steinen. Die Kamera fährt endlos
weiter.
Abspann.-
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