Waiden

Orchester

3. Satz, Choral No. 7 (1994)


Sezierung des Zitats Objekte des einen Tons Crescendostruktur Versprengte Einzelteile des Zitats Tendenz des Materials (wichtig für Crescendo) Der dritte Teil des Orchesterstückes beschäftigt sich mit dem kompositorischen Umgang von Zitaten. Mein Ansatz hierfür geht nicht davon aus, die Komposition als verschiedene Grade der Erkennbarkeit zu seinem möglichst bekannten Ausgangsmaterial zu begreifen, sondern mit der Auswahl einer Skizze eines Komponisten dessen Idee, seine gedankliche Aura zu bearbeiten. Hierbei ist das Zitat nicht ein, willentlich aus einem größeren Zusammenhang entnommenes Fragment, sondern ist schon in sich fragmentarischen Charakters und bedarf somit einer Ausformulierung und Realisierung.
Die Skizze des Chorals No. 7 von Erik Satie enthält, trotz seiner Kürze einige interessante strukturelle Ansätze. Das lässt darauf schließen, dass Satie, der erst im Alter von 40 Jahren begann, sich intensiv mit alten Techniken zu beschäftigen, aufgrund seiner Erfahrungen mit eigener Musik damit etwas anderes beabsichtigte, als die Fähigkeit zu erlangen, eine gute Stilkopie anfertigen zu können.




Zunächst ist auffallend, dass die drei oberen Stimmen zusammen eine abwärts gerichtete Skala ergeben, wobei die Töne einer Stimmgruppe immer an die der anderen angrenzen. Das Tonmaterial umfasst alle zwölf Halbtöne. Fünf davon erscheinen in zwei Oktavlagen und ergeben einen pentatonischen Akkord.




Diese zunächst rein äußerlichen Merkmale benutzte ich, um mit ihnen verschiedene kompositorische Stellungnahmen zu diesem Zitat anzufertigen.
Mit dem halbierten Rhythmus dieser gesamten Skala (plus der vier Basstöne) wurde der erste Ton der Skala „e2“ unter Vorgabe der Vortragsbezeichnung rude für das gesamte Zitat komponiert. Zwei unabhängige Verläufe wurden dazu aus 24 verschiedenen dynamischen Objekten, analog zur Bewegung eines Klangs im Stereobild zweier Lautsprecher gebildet.
Diese Objekte bestehen aus 4 Grundtypen, die in drei Längen und zwei entgegengesetzten Dynamiken ppp und fff auftreten.

[ Stereodynamik, 558 kb ]

Der Rest der Sopranmelodie wird in der Folge mit zunehmender interner Geschwindigkeit auskomponiert.
Es folgt eine Passage, in der das gesamte Zitat mit sich selbst klanglich konfrontiert wird, als eine klangliche Selbstspiegelung, die durch die Instrumentierung seiner unterschiedlichsten Aspekte hervorgerufen wird:
Solo Violine und Posaunen spielen das Zitat unterstützt von den Hörnern in Glissandoverläufen, wobei durch deren verschiedene Geschwindigkeiten die Harmonik extrem verzerrt ist und nur an den Scheitelpunkten offen zutage tritt.
Die restlich hohen Streicher präsentieren das Zitat als Tremolofeld von d1 aus, da dieses der Ton ist, der bis auf vier Viertel in allen fünf Takten ertönt. So entsteht das Zitat als eine Art Randerscheinung dieser Tonhöhe.
Das gesamte Schlagzeug, Harfe, Celesta, Klavier, sowie ein Teil der 2. Violinen spielen zunehmende Tontrauben aus akkumulierten Tönen des Zitats in Viertelrepetitionen.
Die tiefen Streicher unterstützen den verschwommenen Eindruck dieser Passage durch Flageolettglissandi deren Einsatz und Ausgangstonhöhe von denen des Zitats abgenommen wird.
Alle Holzbläser übernehmen gemeinsam eine Lesung des Chorals, deren Töne mit Einschwingvorgängen aus Vorschlägen versehen sind, die aus der bestehenden Harmonie sowie aus vergangenen oder folgenden Melodietönen gebildet sind.

[ Instrumentation des Zitats, 155 kb ]

Nachdem dieser Teil auf „d“ ausgeblendet wird, entsteht nach einer Pause, von diesem Ton als Mittelpunkt ausgehend ein 42 Sekunden dauerndes Orchestercrescendo. Die gleichzeitige Ausdehnung des Tonraumes in die höchsten und tiefsten Register wird durch die vor- und rückwärts gelesene Skala des Zitatmaterials generiert.

[ Orchestercrescendo, 66 kb ]

Nach dem Klimax fällt der Ausklang des Crescendos durch plötzliche Wegnahme aller alterierten Töne in einen diatonischen Akkord, der wiederum bis zum „d“ abgebaut wird.