Waiden

Orchester

2. Satz, übergieß rembrandt mit rembrandt (1994)


Anstoß und Inspiration zu diesem Stück waren erste Versuche, die ich unternahm, um mit Hilfe von Fraktalen und sogenannten L-Systemen algoritmische Strukturen zur Genese von Computermusik zu entwerfen. Gleichzeitig entdeckte ich eine kleine Software "Magic Square“, mit Hilfe derer man verschiedene Arten von Zwölftonreihen generieren konnte. Ausgehend von der Reihe zu Anton Weberns op. 24 ließ ich eine Reihe mit noch höherer Selbstähnlichkeit errechnen. Die Idee dabei war, qualitativ hochwertige Flächen aus redundanten Reihen zu komponieren, wobei jedes Element der Fläche, da aus einem eigenen melodischen Kontext stammend, jederzeit in der Lage ist, reliefartig daraus hervorzutreten.
Umgekehrt bedeutet dieses, das der Zuhörer in der Lage ist unter der zweidimensionalen Oberfläche des Klangs verschiedene seiner Elemente eigener Qualität quasi als Tiefenwirkung wahrzunehmen. In Analogie zur Naturwissenschaft verwende ich hierfür die Termini von Geno- und Phänotyp eines Klangs.
Die unkonventionelle Verwendung einer traditionellen Technik erschien mir hierbei als probates Mittel, da sie wegen ihrer Gleichsetzung von Tonhöhen und ihrer mechanisierten Abfolge schon rein vom Handwerklichen einer gewissen Art von Redundanz Vorschub leistet.

C C# G F# D D# H B E F A G#
H C F# F C# D B A D# E G# G
F F# C H G G# E D# A B D C#
F# G C# C G# A F E B H D# D
B H F E C C# A G# D D# G F#
A B E D# H C G# G C# D F# F
C# D G# G D# E C H F F# B A
D D# A G# E F C# C F# G H B
G# A D# D B H G F# C C# F E
G G# D C# A B F# F H C E D#
D# E B A F F# D C# G G# C H
E F H B F# G D# D G# A C# C


Sowohl Krebs, Umkehrung als auch Krebsumkehrung dieser Reihe sind nur Permutationen derselben, so dass als Material nur die 12 Transpositionen der Reihe zu sehen sind. Darüber hinaus ergibt schon die Lesung der Reihe selbst, ob als Zwei-, Drei- oder Sechstongruppen gleiche oder ähnliche Intervallstrukturen.

Intervalle pro Zweitongruppe:

R:	+1	-1	+1	-1	+1	-1
K:	+1	-1	+1	-1	+1	-1
U:	-1	+1	-1	+1	-1	+1
KU:	-1	+1	-1	+1	-1	+1

das entspricht (in absoluten Halbtonschritten):

R:	1 	2 	1 	2 	1 	2 
K: 	1 	2 	1 	2 	1 	2	 
U: 	2 	1 	2 	1 	2	1
KU: 	2 	1 	2 	1 	2	1

Bei den Zweitongruppen sind Reihe und Krebsumkehrung sowie Umkehrung und Krebs identisch. Von jeder Form gibt es drei, sich abwechselnde Gestalten. Bei den Dreitongruppen gibt es sowohl eine Grundgestalt, ihren Krebs, Umkehrung und ihre Krebsumkehrung. Die zweite Sechsergruppe ist die Umkehrung der ersten.




Zunächst wird ein einoktaviges Modell der Reihe aus einem chromatischen Total von Klavier und Celesta Tremoli herausgelöst. Übergänge werden mit zunehmenden Ausschnitten des fraktalen Modells gestaltet. Dieses Modell lässt mit jeder neuen Generation einen größeren Ausschnitt eine Ganztonskala entstehen.
Deren Kombinationen ergeben wiederum ein immer größer werdendes chromatisches Total. Die Reihe beschreibt somit verschiedene Wege durch diese vollkommen selbstähnliche Fläche.




Der 2. Teil beginnt mit einem zweioktavigen Modell, bei dem auf unterschiedliche Weise die Zweiergruppen der Reihe zu Flächen zusammengefügt und wieder von ihr abgestoßen werden.




Es folgt ein Ausblendmodell in der zwei Sechstonakkorde aus jeweils einem Ton der Zweiergruppen in den komplementären aufgelöst werden.




Es folgt eine Tremolopassage von fünf Takten mit einem Modell, in dem jeder der Reihentöne in drei Oktavlagen dargestellt




Das letzte Modell verteilt die Reihentäne in gleichbleibenden Oktavlagen mit dem größte Registerumfang, diesmal in einer rhythmisch, punktuellen Darstellung. Hierbei werden, in Analogie zum magischen Quadrat alle Töne der Reihe sowohl vertikal als auch horizontal abgebildet.



Das Stück endet mit einem größeren Ausschnitt des Fraktals, welches quasi ins Leere läuft.