Das Maß der Mitte

Ensemble

(auch 1. Satz von Waiden, das zweite maß der mitte, 1994)


Das Ensemblestück "Das Maß der Mitte" begreift einen Klang als akustisches Bild in der Bewegung um ein musikalisches Objekt, das über die Darstellung verschiedener Perspektiven und Entfernungen seiner Betrachtung beschrieben wird.
Im Gegensatz zu konkreten Klängen oder musikalischen Zitaten wird hier einen Akkord als ein solches, wieder erkennbares Objekt definiert. Den einzelnen musikalischen Parametern werden dabei spezielle Funktionen zugeordnet: So beschreibt der Klang die reine Farblichkeit des Objekts (je nach Perspektive), die Dynamik die Entfernung dazu. Die Registerfarbe steht für die Größe und Form, in Abhängigkeit zur Perspektive und Entfernung, das Metrum für die Bewegung um das Objekt.
Dem "Maß der Mitte" liegt die Idee zugrunde, eine von Beginn an bestehende Begrenzung der Tonhöhen durch Dynamik, Geschwindigkeit und Tempo auszugleichen. Die darin liegenden Möglich- und Unmöglichkeiten bestimmen Virtuosität und Kürze des Stücks, das damit versucht, Formen der Reduktion von Informationen zu kommentieren, wie sie durch die Entwicklung elektronischer Medien auch auf künstlerische Prozesse übergreift.





Das am Anfang des Stückes annähernd statische Klangband aus gestrichenen Klaviersaiten besteht so lang, wie einzelne Elemente zur Weiterverarbeitung aus ihm herausgelöst werden. Inspiriert wurde dieser Vorgang durch eine Übung zur Fingerisolierung der Klavierschule von Alfred Cortot, die auch zur Generierung der Dauern dieses Stücks verwendet wurde.





Dieses Herauslösen ist wie eine Betrachtung von Details und damit eine Fokussierung auf bestimmte Elemente des Objekts. In diesem Falle wird durch ein Crescendo auf dem Ton f1 eine plötzliche Bewegung (Geschwindigkeitszunahme, Registerwechsel) ausgelöst, welche das Objekt in eine vollkommen neue (nahe) Perspektive bringt. Eine weitere Annäherung (Vergrößerung des Registerumfangs) lässt es noch größer erscheinen. Durch den Einsatz von 4 Mundharmonikas in unterschiedlichen Tonarten kommen neue Töne hinzu, die so eine Veränderung der Lichtfarbe beschreiben, d.h. das gesamte Objekt in eine neue Farbigkeit tauchen. Nach einer weiteren Steigerung von Tempo, Dynamik und Umfang, in der zusätzlich die Taktlängen verkürzt werden, innerhalb derer sich diese Entwicklung vollzieht, entsteht eine Unschärfe der Betrachtung, die sich in den Glissandi von Marimba, Glockenspiel und Klavier und im Anschluss in den metal chimes widerspiegelt. Der Canon BWV 1027 von J. S. Bach als Instrumentationsmodell sowie die insistierende Repetition eines einfachen diatonischen Klavierakkords sind vor diesem Hintergrund wie ein Blick ins Innere, wie eine Erinnerung an einen imaginären ersten Eindruck.





In diesem Stück dienen die musikalischen Parameter zur Gestaltung einer visuellen Idee, die den Raum nicht als physikalische Größe versteht, sondern als eine Summe von Wahrnehmungsmöglichkeiten, in denen sich die Parameter in einem "mehrdimensionalen Kontrapunkt" zu einander verhalten.