John Chowning


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Der FM-Gesang

 
 

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1. Einführung

Der Gebrauch von der Stimme und dem Text als Klangmaterial und deren vielfältige Umformungen ist ein häufiges Element in der elektroakustischen Musik. Um diese Tatsache zu erkennen, wurden zahlreichen Publikationen über die Synthese der Stimme, die Software und die Werke geschrieben. Einige Beispiele:  Pierre Schaeffer Symphonie pour un homme seul (1950), Herbert Eimert, Epitaph für Aikichi Kuboyama (1960-62), Luciano Berio, Thema - omaggio a Joyce (1958), Karlheinz Stockhausen, Gesang der Jünglinge (1955-56), Luigi Nono, La fabbrica illuminata (1966) und vor kurzem, Jonathan Harvey, Mortuos Plango vivos foco (1980), Gérard Grisey, Les Chants de l'Amour (1982-84)

Mehrere Gründe haben für den generalisierten Gebrauch der
Stimme beigetragen. Einerseits hatten die Ideen über Semiotik und Theorie der Information, die nach dem 2. Weltkrieg in der Luft schwebten (1955 Eco Umberto, Studio di Fonologia Musicale; 1952 Meyer Eppler, Bonn Universität), die Phantasie der Künstler wie L. Berio (aus den Texten von James Joyce, insbesondere  das Buch Ulysses) und K. Stockhausen dazu beigetragen, sie gaben auch vielfältige Möglichkeiten für die semantische und phonetische Textverarbeitung. Andererseits existieren die psychologischen und poetischen Faktoren. Die Stimme, mit dem symbolisch menschlichen und natürlichen Inhalt, kann als Ausgleiche der maschinellen, kalten und unmenschlichen Seite des Computers dienen .  Der schwarze Vorhang von Pythagoras verschließt dem Zuhörer den visuellen und theatralischen Aspekt der instrumentalen Musik und hat als Konsequenz  den Verlust des Verhältnisses zwischen der Bewegung des Instrumentalisten und dem Klangergebnis. Die Abwesenheit des Interpreten auf der Bühne ist, gewisser maßen erfüllt mit den Geistesabbildungen ,die den natürlichen Klang des Instrumentes andeuten. Der Gebrauch der Stimme oder des akustischen Instrumentes als Klangmaterial, ist ein Trost für den Geist.

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2. Über Frequenzmodulation

Die Anwendungen der FM Theorie  in der Kommunikation sind seit dem  XIX Jahrhundert bekannt. Jedoch wurde das musikalische Potential der digitalen FM Synthese erstmals 1973 von Chowning in der Universität Stanford konsequent eingesetzt und wird seit diesem Zeitpunkt angewendet.

In der einfachsten Version des FM Synthese (einfaches FM oder FM Chowning), wird ein Trägeroszillator von dem Modulatoroszillator moduliert. Die mathematische Darstellung ist folgende:

FM = A . sin ( 2 . ? . Ct + [ I . sin ( 2 . ? . Mt ) ] )

wobei A die maximale Amplitude der Trägerwelle ist, Ct und Mt stellen die Frequenzen des Trägers und Modulator dar, und I entspricht der Modulationsindex.

FM produziert die Seitenbänder (Sidebands) C + n . M, wo n - eine natürliche Zahl ist.

Die Position der Seitenbänder ist von dem Verhältnis zwischen C und M abhängig (C:M ratio). Bei einer natürlichen Zahl erzeugt FM harmonische Schwingungen; ist dieses nicht der Fall entstehen inharmonische Schwingungen.

Die Breite des Bandes des FM Spektrums (die Zahl von den Seitenbändern, FMbandwidth = 2. (D + M)) ist von dem Modulationsindex I abhängig (I = D / M). Die Amplitude jedes seitlichen Bandes verändert sich entsprechend der Besselfunktionen.
 

Musikalische Anwendungen

"In natural sounds the frequency components of the spectrum are dymamic, or time variant. The energy of the components often envolves complicated ways; in particular during the attack and decay portions of the sound"

Aufgrund des umgekehrten Verhältnis zwischen der Bandbreite und dem Modulationsindex, entsteht eine wichtige Eigenschaft von akustischen Instrumenten: wenn sich die Amplitude vergrößert, vergrößert sich auch die Bandbreite. Besonders wichtig sind die Anwendungen der FM Synthese bei der Simulation von Blechinstrumenten, dessen Attack (die Amplitude und Modulationsindex) schnell ist. Das C:M Verhältnis ist 1. Sehr charakteristisch bei der FM Synthese ist auch die Simulation von den Schlaginstrumenten oder Bell-like Instrumenten mit irrationalem Modulationsindex (z.B. C:*2C) ..

Andere Entwicklungen der FM Synthese führen uns zu der Stimmesimulation, genannt Multiple FM, wobei ein, zwei oder mehrere Modulatoroszillatoren gleichzeitig ein Trägeroszillator modulieren.

Die Summe den Oszillatoren kann in dem Spektrum die Formantenregionen verursachen, die eine Eigenschaft der Stimme und des akustischen Instrumenten sind.
Ein anderer Vorteil dieser Anwendung ist die unterschiedliche Hüllkurve zu jedem Formant. Diese Anwendung ist eine typische Eigenschaft von einigen akustischen Instrumenten.

Die mathematische Darstellung von Chownings FM Synthese für die Sopran-Stimme ist folgende:

FM = A.5 . A1(t) . sin (6,28 . fc1 . t + I1 . M )
  + A1.5 . A2(t) . sin (6,28 . fc2 . t + I2 . M )
  + A2 . A3(t) . sin (6,28 . fc3 . t + I3 . M )

wobei A die globale Amplitude ist, f0 entspricht der Grundton, M - die Modulatorwelle [M=sin(6,28 . f0 . t)], fcn - die Trägerfrequenz, An die Trägeramplitude, und I - der Modulationsindex.

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3. John Chowning, Phoné

1979 arbeitete Chowning in IRCAM wo er eine neue FM Technik entwickelte. Phoné wurde von 1980 bis 1981 in dem Studio von der Universität Stanford komponiert, und  1981 in Paris aufgeführt. Über Phoné schrieb John Chowning folgendes:

"The sounds in Phoné (from Greek, meaning "sound" or "voice") were produced using a special configuration of the frequency modulation (FM) synthesis technique which allows the composer to simulate a wide range of timbres including the singing voice and other strongly resonant instrumental sounds. The synthesis programs are designed to permit exploration of and control over the ambiguities which can arise in the perception and identification of the sound sources. The interpolation between timbres and the extension of "real" timbres into registers which could not possibly exist in the "real" world - such as a "basso profundissimo"  -, the micro structural components are some of the points of departure for this composition."
 

Die Verarbeitung der Klangfarbe in Chownngs Phoné zeigt sehr deutlich die
subtile Möglichkeiten der FM Technik, sowie die Ambiguität der Klangfarben zwischen den natürlichen und künstlichen Instrumenten.

In dem Stück wurden vier Elemente bearbeitet:

1. Schnelle melodische Linie (mit accelerando), die in einem Akkord kulminiert (Beispiel 1, Seiten 10 und 11);
2. Langen und komplexen Klänge oder Akkorden (Beispiel 5, Seite 17);
3. Melodie mit kurzen und langen Töne  (Beispiel 2, Seiten 12 - 14);
4. Zufallsmelodie (Beispiel 3, Seite 15).

Das erste Element spielt eine wichtige Rolle in der Form. Es teilt das Stück in Zwei Bereiche und zeigt den Anfang der Sätze.

Das zweite Element erlaubt Chowning mit Klangfarben zu arbeiten und Umformungen durch zu führen. Im 5. Beispiel (Seite 17)   ist der Übergang von einem komplexeren Klang zu einem anderen mit wenigen und stabileren Obertönen wahrzunehmen, einem Übergang von Becken (in Tremolo) zur Stimme.

Nicht so deutlich zu sehen ist der Übergang zwischen einem Tamtam und der Stimme basso-profundissimo, wie in den Beispielen 4 und 5 (Seiten 16 und 17) gezeigt ist.

In den drei folgenden Beispielen (Beispiel 7.1, 7.2, 7.3, Seiten 19 - 21) werden wir konfrontiert mit einer anderen Art die gleichen Klänge zu bearbeiten. Hier führt Chowning keinen Übergang durch, sondern eine Überlappung. Zuerst kommt eine tiefe Schicht, die der Stimme entspricht. Darauf folgt die obere Schicht, in der die Unregelmäßigkeit von Obertönen beobachtet werden kann. Dieses entspricht den Becken. Im letzten Beispiel (7.3) werden die Becken wieder unsichtbar und es bleibt nur die Stimme.

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4. John Chowning, Biographie

Der amerikanische Komponist John Chowning wurde 1934 in New Jersey geboren. Er studierte Komposition in Paris bei Nadia Boulanger und später, an der Stanford Universität, bei Leland Smith, wo er promovierte. In Zusammenarbeit mit Max Mathews und David Poole, hat er 1964, in dem "Stanford’s Artificial Intelligence Laboratories",  ein Informatikprogramm entwickelt, das elektronische Klänge erzeugen kann. Es war überhaupt das erste Musikinformatik-Programm. Weitere Erfindungen machte John Chowning in 1967: die FM Technik -Frequenzmodulation (Frequency Modulation). Diese Technik wurde in dem populären und kommerziellen Synthesizer Yamaha DX-7 verwendet.
John Chowning bekam Aufträge und Stipendien von mehreren europäischen und amerikanischen Stiftungen. Er hat in den größten und wichtigsten Studios für elektronische Musik gearbeitet. Heutzutage ist er Leiter in CCRMA (Center for Computer Research in Music and Acoustics), und unterrichtet Komposition und Klangsynthese an der Stanford Universität.

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5. Bibliographie

Chowning, John 1989. Frequency modulation synthesis of the singing voice. In M. Mathews and J. pierce, eds. 1989. Curent directions in computer music research. Cambridge, Massachusetts: The MIT Press. pp.57-63.

Garcia, Denise. Body Representations in the Electroacustic Music. ICMC 2000 procedings.

Roads, Curtis 1996. The computer music tutorial. Cambridge, Massachusetts: The MIT Press

Sabbe, Herman. Die Einheit der Stockhausen-Zeit.... In Musik-Konzept 19 Herausgegeben von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn, 1981.

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