OUTOFTHECAR
für Ensemble (Klavier & SchlagQuartett), Soundtrack, Videos und Licht (12:20, 3 DVDs 5.1 + 4.0, 2004/05)
Satz - I
Satz - II.1 / II.2

In OutOfTheCar ist die Gegenüberstellung von physischer ('analoger') Präsenz - Musiker auf der Bühne - und medialisierter ('digitaler') Präsenz diskontinuierlicher Körper im elektronischen Bühnenbild thematisiert. Dabei spielt die Dekomposition narrativer, filmischer Zusammenhänge, sowie deren musikalisierte Resynthese im transmedialen Werk eine wichtige Rolle. Das Bildmaterial stammt - mit einer Ausnahme - aus dem Film Terminator 2 von James Cameron (s.o.). Die dramaturgische Stellung der verwendeten Sequenzen innerhalb des ursprünglichen Films wird zugunsten einer neuen, hoch verdichtenden, nicht-linearen Erzählform aufgegeben. -
Zur optischen Präsenz digitaler, d.h. diskontinuierlicher Körper gehört m.E. die (sehr alte) Kultur visueller Gewalt. Seit Menschen Bilder von Menschen machen, existieren Bilder von menschlicher Gewalt. Diese besaßen wechselnde Eigenschaften: Einschüchterung, Machtdemonstration, Profitmaximierung, Propaganda etc. Ich verwende weder historisches, noch dokumentarisches Bildmaterial; ausschließlich Bilder inszenierter, d.h. fiktionaler Gewalt werden benutzt. Wichtig: Gewaltbilder im Fiction-Film bleiben immer ästhetische Objekte, selbst dann, wenn Realismus angestrebt wird. Als ausgewiesene KunstObjekte bleiben sie frei für ästhetische Neubestimmung - historisches Material und dokumentarische Aufnahmen entziehen sich diesem Ansinnen fast immer. –
Als Beispiel besonders 'realistischer' Gewalt im Fiction-Film und einziger Sequenz, die nicht aus Terminator 2 stammt, verwende ich eine Szene aus Good Fellas von Martin Scorsese. Bereits Scorsese verändert die Szene so, dass der Naturalismus der gezeigten Gewalt konterkariert wird. Nur in dieser Sequenz verwendete Techniken verhindern, trotz Realismusnähe des übrigen Films, dokumentarischen Charakter; die Gewaltdarstellung wird artifiziell. Die Bild'Gewalt' Cameron'scher Alpträume in Terminator 2 ist noch künstlicher; allein die Darstellung des quecksilbrigen, gnadenlos tötenden T1000 verschlägt einem die Sprache - und dass nicht nur, weil er als erstes vollanimiertes ComputerKunstWesen in die Filmgeschichte einging. -
In OutOfTheCar ist die 'Denaturierung' der Bilder ebenfalls extrem, allerdings ohne 'Realismus'-Tendenz wie im Kino-Spektakel. Stark verdichtet - Sequenzen, die im Original hintereinander ablaufen werden gleichzeitig wiedergegeben, Vor- und Rückläufe laufen simultan bei vervierfachtem Tempo ab etc - werden die Bilder als kompositorisch behandelbare Objekte dem Stück einverleibt. In einem gewissen Sinn 'enteigne' ich die Filmsequenzen, um sie in einen neuen, musikalischen Zusammenhang zu stellen. Sowohl Großform, als auch Binnenstrukturierung des Stücks sind völlig autonom, d.h. aus rein musikalisch-kompositorischen Überlegungen heraus entstanden. Soundtrack und bewegtes Bild samt multipler Projektionen in den Raum erweitern das live spielende Ensemble gleichsam wie eine transmediale 'Instrumentation'. Die live agierenden Musiker treten in Widerspruch zu ihren digitalen Gegenüber, werden selbst instrumentalisiert und der MedienMaschinerie untergeordnet. Die Entgrenztheit digital erzeugter KörperBilder (und –Klänge) macht die Begrenztheit realer Physis offenbar. -
WHAM.

D.H. März 2005